#rp15-Speaker: !Mediengruppe Bitnik

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Domagoj Smoljo and Carmen Weisskopf of !Mediengruppe Bitnik; credit: !Mediengruppe Bitnik

Inklusion, Exklusion und (angebliche) Deutungshoheit sind Themen, derer sich die re:publica annimmt. Das würden wir auch unterschreiben: "Wir sind überzeugt, dass es eine Aufgabe der Kunst ist, Ränder auszuleuchten und zeitgenössische, gesellschaftliche Fragen zu thematisieren." Es stammt aber nicht von uns, sondern ist ein Statement der Schweizer !Mediengruppe Bitnik. Sie sagten das anlässlich der Beschlagnahmung ihres Kunstwerks "Random Darknet Shopper" im Januar diesen Jahres durch die Staatsanwaltschaft St. Gallen.

Warum muss nun ein Roboter "festgenommen" werden? Das ist eine der spannenden Fragen, die die Debatte um die Künstliche Intelligenz aufwirft. Die Künstler Domagoj Smoljo und Carmen Weisskopf programmierten für die "The Darknet – From Memes to Onionland. An Exploration"-Ausstellung in der Kunsthalle St. Gallen einen sogenannten Bot, eine Software, die automatisierte Aufgaben erledigt. Jede Woche bestellte dieser Bot mit einem Budget von 100 Dollar nach dem Zufall ausgewählte Produkte im Darknet. Im Peer-to-Peer-Netzwerk existieren allerhand virtuelle Krämerläden für legale und illegale Waren jeder Art. So kaufte die Software unter anderem MDMA-Pillen, gefälschte Jeans und den Scan eines ungarischen Passes – geliefert frei Haus.

Schon vor dem Eintreffen der Drogen war die Ausstellung medial präsent. Schließlich schritt die Gendarmerie unter dem Einwand des "Schutzes Dritter" ein. Aber kann denn Algorithmus Sünde sein? Gewiss, sobald er wieder eine Schnittstelle zum Menschen beziehungsweise Konsumenten bekommt. Das digitale Kunstwerk erforscht und dokumentiert mehrere Aspekte: die Automatisierung unserer Arbeitswelt durch Computerprogramme, das Angebot und Schaffen von Vertrauen in illegale Märkte im Internet sowie das Darknet als überwachungsfreier Raum im Negativen wie im Positiven. Bitnik rekontextualisieren Vertrautes, um eine Neubewertung etablierter Strukturen und Mechanismen zu ermöglichen. Hacking ist dabei eine ihrer zentralen künstlerischen Strategien.

Die Themen der (digitalen) Gesellschaft, wie Urheberrecht, Privatsphäre, Illegalität und Widerstand, sind in ihrem Werk eingeschrieben – the Medium ist the Message. Ein ähnlich großes Aufsehen erregte die Gruppe im Januar 2013 mit ihrer Kunstaktion "Delivery for Mr. Assange". Wikileaks-Gründer Julian Assange, einer der bestbewachten Männer der Welt, erhielt von der Mediengruppe ein Päckchen in die ekuadorianische Botschaft in London zugestellt. In dem Paket dokumentierte eine Kamera den Postweg durch ein Loch in der Verpackung und übertrug die Bilder in Echtzeit ins Internet. Tatsächlich kam die Sendung sogar an und wurde damit zu Live Mail Art und Systemtest in einem. Und London als Ziel bot sich mit seiner höchsten Dichte an CCTV-Kameras im öffentlichen Raum als Spielwiese geradezu an. Zuvor hatte das Künstlerduo in ihrer Arbeit "Surveillance Chess" im Überwachungsraum interveniert, indem sie den Feed einer Überwachungskamera mit einer Aufforderung zum Schachspiel ersetzten. Die Überwacher wurden zu Akteuren in ihrem eigenen Spiel, es verkehrten sich die Rollen.

Auf diesen Effekt hoffen wir auch im Mai. Kunst ist ein dezidiertes Mittel der Auseinandersetzung: !Art as Evidence!

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@bitnk

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